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Geschichte
Zusammenfassung
Das Studium der Geschichte bringt einiges Interessantes hervor. So wird immer wieder gesagt, dass Milch zu trinken unnatürlich wäre und das nur der Mensch täte. Das ist wohl wahr, aber es ist auch wahr, dass Milch eines der ersten Nahrungsmittel der Menschen war, sobald dieser sesshaft wurde. Und das liegt bereits 10'000 Jahre zurück. Dasselbe mit Getreide, welches ebenso lange angebaut wird. Das Problem der steigenden Unverträglichkeit sehe ich eher in Überproduktion, Überzüchtung und industrieller Verarbeitung (siehe Grundlagen).
Interessant ist auch zu sehen, wie hartnäckig sich Ernährungsgewohnheiten halten. Die heutigen Ernährungsgewohnheiten Mitteleuropas zu Südeuropas entsprechen ungefähr dem Unterschied in der Ernährung der Germanen zu den Römern.
Sehr spannend ist, dass das Wassertrinken erst im 18. Jahrhundert Verbreitung findet. Davor hat man (wohl sehr verdünnte) alkoholische Getränke zu sich genommen.
Eher kurios ist der Beginn des Vegetarismus, der im 19. Jahrhundert aufgrund religiöser Gesinnung entstand.
Vermutlich eher unbekannt dürfte auch sein, dass im 19. Jahrhundert die Diätetik aus der universitären Lehre gestrichen wurde und bis heute ein stiefmütterliches Dasein fristet.
Sobald man die Ernährung wissenschaftlich zu untersuchen begann, fing man damit an, für ärmere Bevölkerungsschichten Nahrungsreste als Grundnahrung zu propagieren.
Hunger oder Überfluss
Wenn man die Ernährung über die Jahrhunderte verfolgt, wechseln sich Zeiten des Hungers mit Zeiten des Überflusses.
Hunger
Hunger ist ein Begleiter selbst in unserer aufgeklärten Zeit. Heute (Juli 2015) leiden weltweit 795 Millionen Menschen unter Hunger.
Hunger ist viel mehr, als nicht über ausreichend Nahrungsmittel zu verfügen. Man ernährt sich nur gut, wenn man die richtige Mischung aus Kalorien und Nährstoffen zu sich nimmt, die für eine gesunde Entwicklung unabdingbar ist. Eine ausgewogene Ernährung ist besonders in den ersten 1000 Tagen des Lebens ausschlaggebend, da ein Kleinkind sonst chronische Schäden erleiden kann. So wie es den offensichtlichen Hunger gibt, der auf einen leeren Magen zurückzuführen ist, gibt es auch den versteckten Hunger durch nährstoffarme Ernährung: Mikronährstoffmangel behindert die geistige und körperliche Entwicklung, schwächt die Arbeitskraft und macht Menschen anfällig für gefährliche Infektionskrankheiten. (Quelle: World Food Programme)
Überfluss
Überfluss in so einem grossen Ausmass ist ein junges Problem. Heute sind rund eine Milliarde Menschen weltweit übergewichtig (n.b. mehr als Hungernde). Der Körper, der über die Jahrtausende darauf ausgerichtet ist, schnell Kohlehydrate zu speichern, ist nicht auf ein Überangebot ausgerichtet. Der Körper verliert nicht „freiwillig“ die zugeführte Energie. Übergewichtige haben eine erhöhte Belastung der Knochen und Gelenke und ein erhöhtes Risiko für die Krankheiten Diabetes und Herzinfarkt. Es gibt noch ein weiteres Risiko des Überflusses, und das ist die einseitige Ernährung, was zu Mangel im Überfluss führt. Zucker und raffinierte Mehle sind Produkte, denen alle Vitalstoffe entzogen wurden, die dann in der Nahrung fehlen. Überfluss in diesem Ausmass wurde durch die technische Bearbeitung und Konservierung von Nahrungsmitteln erreicht. Zusatzstoffe werden oft diskutiert als zusätzliche Ursache von Zivilisationskrankheiten.
Geschichte der Ernährung
Jäger und Sammler
In grauer Vorzeit vor ca. 1,8 Millionen Jahren lebte der Homo Erectus. Ich glaube man kann gut davon ausgehen, dass man keine Ahnung hat, wie er sich ernährte. Die Nutzung des Feuers geht auf über 1 Million Jahre zurück. Einfache Steinwerkzeuge wurden verwendet, die Jagd wurde entwickelt. Der Homo sapiens trat ungefähr vor 200’000 Jahren auf. Vor ungefähr 40'000 Jahren fingen Männer und Frauen an, sich die Arbeit zu teilen. Das ist auch die Zeit, als der Neandertaler komplett ausstirbt. Geblieben ist eine einzige Menschenrasse, der Homo Sapiens Sapiens. Vor 30'000 Jahren hat man damit begonnen, Hunde zu halten. Den ersten Erdofen, den man fand, wurde vor ungefähr 25'000 Jahren gebaut.
Als sicher gilt, dass die damaligen Menschen als Jäger und Sammler lebten. Höhlenzeichnungen von Jagdszenen sowie Knochenfunde deuten auf eine reichliche Fleischzufuhr, bevor der Mensch sesshaft wurde und Getreide anbaute. Aber vermutlich ist das nicht ganz richtig. Erstens bleiben Knochen länger erhalten als Beeren, Kräuter, Rinden und Gräser. Und die Abbildung von Jagdszenen bedeutet wohl eher, dass dies die Ausnahme war. Man bildet ja nicht normale Szenen des Lebens ab, sondern immer das Aussergewöhnliche. Ausserdem kann man in Jagdszenen die Kraft und den Mut der Jäger beschwören. Die Zeichnungen waren ja nicht für uns, sondern für die Menschen zur damaligen Zeit gemalt. Wir gehen also eher davon aus, dass damals genauso eine Mischkost auf dem Teller war wie heute. Natürlich mehr saisonal geprägt. Wir können auch annehmen, dass die Gemüse, bevor sie gezüchtet wurden, sehr kompakte Nahrung darstellten. Ich meine den Gehalt an Vitaminen und Mineralien muss viel höher gewesen sein, so dass weniger davon konsumiert werden musste. Allerdings wird es wohl eine Zeit gegeben haben, als die Jagd so verbessert wurde, dass der Mensch mit dem anfing, worin er bis heute am erfolgreichsten ist, nämlich im Ausrotten ganzer Säugetierarten.
Sesshaftigkeit (Neolithische Revolution)
Der Grund für die Sesshaftigkeit kam aus der Möglichkeit, Nahrung anzupflanzen und der Notwendigkeit, Hungerzeiten wie ein Winter zu überstehen. An erster Stelle stand das Getreide. Das verarbeitete man erst als Brei, später zu Fladen. Der systematische Anbau von Getreide geht auf 10’000 v. Chr. zurück. Zu dieser Zeit wird auch die Fischerei mit Köder entwickelt. Pfeil und Bogen werden erfunden, ungefähr zur selben Zeit nimmt auch die Haltung von Haustieren zur Fleischzucht ihren Ursprung. Die ersten Hochkulturen in Mesopotamien gehen auf 3000 v. Chr. zurück.
Altertum
Ab jetzt beziehe ich mich auf Europa. Im alten Griechenland ab 1000 v. Chr. war Gerste und Weizen als Brei oder Fladen das Hauptnahrungsmittel. Bekannt waren Olive, Feige, Granatapfel, Quitte, Hülsenfrüchte, Rosinen und Wein. Auch Ziege, Fisch und Käse standen auf dem Speiseplan. Es wurde mehr Gemüse als Fleisch und Fisch verzehrt. Bereits damals wurde Gemüse und Fleisch zusammen gekocht. In der Frühzeit war Fleisch mit einer Opferung verbunden, die dann zum Verspeisen in grösserer Runde führte. Man stelle sich das so vor, wie im heutigen Griechenland zu Ostern das Lamm angerichtet wird.
Im alten Rom wurde von der Mehrheit Brei gegessen, ab unserer Zeitrechnung wurde es durch Brot abgelöst. Ab den Römern finden wir genaue Hinweise auf die Ernährungsweise. So war das Frühstück ähnlich dem unsrigen. Arme Menschen assen Brotfladen mit Salz, Wohlhabende reicherten das Mahl mit Eiern, Milch, Käse, Honig und Früchten an. Zu Mittag speisten sie kalte Speisen wie haltbar gemachtes Fleisch (Schinken), Brot, Oliven, Eier, Nüsse, Feigen, Pilze, Käse, Früchte (Datteln). Als Nachtessen gab es für die Ärmeren Brei mit Fett, Salz und etwas Gemüse, was als Vorgänger der Polenta angesehen wird. Die Wohlhabenden assen Vor-, Haupt- und Nachspeise. Das wichtigste Mahl war somit das Nachtessen. Das ist in Italien so bis zum heutigen Tage geblieben.
Damals bekannte Gemüse waren dicke Bohnen, Kichererbsen, Erbsen, Lupinen, Linsen, Grünkohl, Mangold, Blätter von Holunder, Malve, Melde, Bockshornklee, Brennnessel, Sauerampfer, Oliven, Lauch, Zwiebeln, Gurken, Melonen, Kapern und Kresse. Auch Pilze wurden bereits gesammelt.
Unter den Fleischsorten war Schweinefleisch am beliebtesten, Rinder waren Arbeitstiere und daher das Fleisch zu zäh. Ente war weit verbreitet. Fisch wurde allmählich bekannt. Interessant ist, dass es eine Saucengrundlage entwickelt wurde auf der Grundlage von Fermentation. Im römischen Reich gab es bereits einen kulturellen Austausch mit Afrika und Nahost, so war Zimt bereits bekannt.
Zu den damals bekannten Konservierungsmethoden gehörten Räuchern, Gemüse in Öl oder Früchte in Honig einlegen, sowie die Konservierung durch Salz oder siedendes Wasser. Früchte wurden getrocknet.
Mittelalter
Mit der Auflösung des römischen Reiches kehrte der Getreidebrei als Grundnahrungsmittel wieder an die Tische. Kelten und German bauten Hafer und Gerste an, wichtig war ihnen aber vor allem die Jagd. Sie hielten Schweine, Pferde und Rinder in Wäldern. Ente war billiger als Huhn. Daneben war auch die Fischerei wichtig. Anstelle von Wein wurde Bier getrunken. Es gab, Milch, Käse, statt Öl wurde Talg verwendet. Man nimmt an, dass die Körpergrösse mit der Ernährung von Eiweiss einhergeht. Normale Bürger kamen im Mittelalter selten an ausreichende Quellen an Eiweiss, was ihre geringe Körpergrösse erklären könnte (Andere Theorien sehen den Zuckerkonsum als Grund). Hauptnahrungsmittel waren neben Getreide Kohl (Kraut), dicke Bohnen und Rüben. Aus Kohl wurde bereits ab dem 12. Jahrhundert Sauerkraut hergestellt.
Klöster wurden immer wichtiger. In den Klöstern wurde Weizen für Brot und Reben für Wein angebaut. Daneben wurden Gemüsesorten gezielt gezüchtet. Die Konservierung der Lebensmittel wurde auch verbessert.
Die Dreifelderwirtschaft erhöhte die Ernte, Berufe wie Müller (Getreide mahlen), Meier (Gutsverwalter) oder Küfer (Hersteller von Fässern) entstanden.
Über die Seidenstrasse gelangten Kulturgüter und vor allem Gewürze von China und Indien nach Europa. Die Kreuzzüge intensivierten den Austausch wesentlich. Als Süssungsmittel löst der in Persien hergestellte Zuckerhut langsam den bis anhin zum Süssen verwendeten Traubendicksaft ab. Zucker bleibt im gesamten Mittelalter ein Luxusprodukt.
Im Mittelalter bereits bekannt waren Kaffee, Tee und Zitrusfrüchte. Die Kunst der Herstellung von Spirituosen wurde langsam der Allgemeinheit zugänglich.
Ein entscheidender Wandel kommt mit der Entdeckung Amerikas 1492. Die neu eingeführten Lebensmittel, welche die ganze Welt eroberten waren Mais, Kartoffeln, Chili, Kakao, Vanille, Tomaten, Sonnenblumen, Erdnuss, Speisekürbis.
Neuzeit
Man ass gewöhnlich zweimal am Tag, am Morgen früh und spät am Abend. Der Normalsterbliche ass am Morgen Getreidebrei, am Abend Suppe und Brot. Hirse und Hafer waren allen zugänglich, mit Wasser oder Milch versetzt, Weizen, Roggen und Dinkel waren Wohlhabenden vorbehalten. Langsam wurde dieser Rhythmus durch die noch heute gebräuchliche Dreiteilung in Morgen- Mittag- und Abendessen gewandelt.
Bei den Gemüsen wurden Bohnen und Erbsen langsam von der Kartoffel verdrängt. Beim Fleischverzehr wurde das gesamte Tier verwertet.
Wasser war keineswegs ein Tafelgetränk. Bis zu dieser Zeit wurden zu jeder Mahlzeit alkoholhaltige Getränke konsumiert, wobei der Alkoholgehalt wohl wesentlich tiefer war als heute.
Ab dem 17. Jahrhundert wurden Schokolade, Tee und Kaffee zu allgemein gebräuchlichen Genussmitteln. In den Seenationen England, Frankreich, Holland, Portugal und Spanien stieg ab dieser Zeit der Zuckerkonsum aus importiertem Zucker (-rohr).
Zu dieser Zeit wurden Nahrungsmittel für normale Bürger und für Wohlhabende getrennt. Gewisse Tiere durften von den Bauern nicht gejagt und nicht gefischt werden. Die Bauern lebten fast autark, Salz und Gewürze mussten zugekauft werden. Der Wald wurde zur Beschaffung von Essen stark genutzt.
Das starke Bevölkerungswachstum reduzierte die Weideflächen, was zu einem Mangel an Fleisch führte. Gesundes Essen wurde damals mit Fleischkonsum gleichgesetzt.
Das Bevölkerungswachstum wurde von einer Verbesserung der Kultivierungsmethoden bis zum heutigen Tag begleitet.
Eine Küche, die als alleinigen Zweck der Herstellung von Nahrung diente, wurde erst ab dem 16. Jahrhundert langsam Allgemeingut. Davor war die gemeinsame Feuerstelle auch für handwerkliche Zwecke benutzt worden. Mit der Küche kam der Herd, der eine stehende Arbeit zuliess.
Die wichtigste Form der Haltbarmachung war bis zur Erfindung des Kühlschranks die Einkellerung.
In der Küche des Mittelalters bis weit in die Neuzeit wurde nach humoralmedizinischen Grundlagen versucht, gleichzeitig den Menschen gesund zu halten.
18. Jahrhundert
Das ist die Blüte der bäuerlichen Lebensmittelversorgung. Das Denken richtet sich von Ernte zu Ernte, von Schlachten zu Schlachten. Der Verbrauch an Salz, Zucker und Gewürzen wurde in der Regel einmal im Jahr eingekauft. Die gesamte Wirtschaft war darauf eingestellt. Steuern waren in der Regel der berühmte Zehntel der Ernte.
Das 18. Jahrhundert ist das letzte Jahrhundert in Europa mit Hungersnöten. 1788, ein Jahr vor der französischen Revolution, herrschte in Frankreich eine Hungersnot, die Millionen das Leben kostete. Den Menschen mangelte es an Brot. Darauf angesprochen soll Marie- Antoinette, die Gattin des Königs, mit ihrem berühmtes Zitat geantwortet haben: „dann sollen sie doch Kuchen essen“. Die französische Revolution ist also ein Kind des Hungers, wie so viele Aufstände in der Geschichte der Menschheit. (Der russischen Revolution 1915 ist eine Nahrungsmittelknappheit vorangegangen und der Arabische Frühling hatte sich bereits 2008 angebahnt mit den Protesten gegen den Versuch der Regierung, die Subventionen für Brot zu streichen).
Das ist das Jahrhundert, in dem Wassertrinken erfunden wird. Zwar schon von den Römern gepflegt, wurde es im Mittelalter aber wieder vergessen. In diesem Jahrhundert wurde es als Kur wiederentdeckt. Menschen gingen an Kurorte um Unmengen Wasser, bis zu 20 Liter am Tag, zu trinken. Das war noch im humoralmedizinischen Sinne, um sich zu reinigen. Ein erster Anfang einer Naturheilkunde.
Ab dem 18. Jahrhundert erkannte man, dass Sauerkraut gegen Skorbut, vor allem auf langen Schifffahrten, half.
19. Jahrhundert
Um 1800 hatten noch 72 % der Einnahmen eines durchschnittlichen Maurerhaushalts dem Erwerb von Nahrungsmitteln gedient.
Um 1800 lagen die Hektarerträge bei Weizen bei 10 Doppelzentner.
Um 1800 betrug die Milchleistung einer Kuh ungefähr 600 Liter pro Jahr und wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf ungefähr 1000 Liter pro Jahr erhöht.
Man begann mit der Kultivierung der Zuckerrübe. Der Gehalt an Zucker wurde durch Züchtung von 8 auf heute bis zu 20% erhöht. Richtig durchgesetzt hat sich der Anbau erst, als man aus politischen Gründen Schutzzölle erhob, um nicht vom Import des Zuckerrohrs abhängig zu bleiben. Aus diesem Grund werden heute 90% des europäischen Zuckerverbrauchs aus Zuckerrüben gewonnen.
Zu Beginn des Jahrhunderts traten die ersten organisierten Vegetarier auf. Es gab drei Richtungen: Die einen waren Protestanten und verbanden den Vegetarismus mit Hygiene, worunter sie vor allem geistige Hygiene verstanden, daher unter anderem eine Massnahme zur Vorbeugung der Masturbation. Die zweite Richtung störte sich an Tierversuchen, die oft mit lebenden Tieren gemacht wurden (Vivisektion). Die dritte Richtung verband damit eine gesündere Lebensweise.
Meist wurde einem ständig kochenden Eintopf Schweinefleisch, Gemüse, Brot und Reste zugefügt. Frauen standen nämlich nicht am Kochherd, sondern halfen auf dem Feld mit. Der Kaffee zum Frühstück verdrängte den Getreidebrei. Oft wurde Brot dazu gereicht.
Das ist das Jahrhundert der Industrialisierung. Die im vorigen Jahrhundert zur Anwendungsreife gebrachte Dampfmaschine wurde der Motor der Wirtschaft. Die Veränderungen waren tiefgreifend in alle Formen des Zusammenlebens.
Die Medizin organisierte sich in Universitäten. Die praktische Medizin verschwand und damit auch Diätetik als Studienfach. Was blieb war theoretische Medizin, wie wir sie heute kennen. Physiologie und Chemie rückten in den Vordergrund.
Damit begann auch die Zeit der Lebensmittelkontrollen, um Betrügerei aufzudecken. Damalige Kontrollen deckten etwas auf, dass Milch mit Wasser, Brot mit Sägemehl oder in Russland der Wodka mit Salpetersäure gestreckt wurde.
Die sozialen Strukturen wandelten sich vom Selbstversorger zum Arbeiterbauern. Zum einen zogen viele Leute in die Städte, zum andern blieben aber viele Grossfamilien auf ihren Gutsbetrieben, einige Mitglieder aber arbeiteten in Fabriken oder Fabrikarbeiten wurden auf dem Gutsbetrieb durchgeführt.
Die Verstädterung führte dazu, dass das Nahrungsangebot immer kurzfristiger geplant werden musste. Fabrikarbeiter assen in der Fabrik, die Einkaufsplanung der Lebensmittel ging vom Jahres- zum Wochenrhythmus über. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Nahrung überwiegend gekauft.
Die Kost änderte sich zu immer schneller verfügbaren Kalorien. Genussmittel wie Kaffee, Branntwein, Zucker und Tabak hielten Einzug. Mögliche Gründe für den schnell wachsenden Konsum an Genussmitteln sind die lange, eintönige und harte Arbeit, Ersatz für fehlende Lebensqualität wie auch um eine gewisse Standeszugehörigkeit, wenigstens gegen aussen, zu vermitteln. Man verdiente ja jetzt Geld. Das war die Blütezeit der Surrogate. Zichorienkaffee und Margarine hatten Hochkonjunktur.
Die Mobilität verstärkte den Welthandel.
Der englische Chemiker W. Prout unterschied 1827 zuckrige, ölige und eiweissartige Lebensmittel. Die Chemie vermochte einzelne Elemente zu unterscheiden. Deren fand man Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff, Schwefel und Sauerstoff. Zur Umwandlung von Nahrungsmitteln kannte man die Fermentation und die Hydrolyse (Zugabe von starken Säuren). Welche Nahrungsmittel unbedingt notwendig waren fand man über Fütterungsversuche heraus, wobei man Hunde mit jeweils einem Nahrungsmittel fütterte und schaute, wie lange sie überlebten.
1844 fasste der Chemiker Boussingault die damaligen Kenntnisse der Ernährungslehre zusammen: Eine gegebene Kostform, so stellte er fest, ist ungenügend, wenn
- die Nahrung keine genügende Menge an stickstoffhaltigen Körpern besitzt (=Eiweisse), die den Stickstoffverlust decken,
- die Nahrung nicht genügend Kohlenstoff (=Kohlenhydrate) enthält, um den CO2 –Verlust (der Atmung) zu ersetzen,
- die Nahrung nicht genügend Salze, insbesondere Phosphate, enthält, um die Salzverluste auszugleichen.
Eiweiss wurde zum wichtigsten Nahrungsmittel hochstilisiert (vermutlich nicht zuletzt aufgrund der Fütterungsversuche mit Hunden, die, wie man heute weiss, fast dreimal soviel Eiweiss brauchen wie Menschen). Es wurde berechnet, welche Nahrungsmitteln am geeignetsten wären, die errechneten täglichen 100g Eiweiss aufzunehmen. Man fand bei einer Grundernährung von Kartoffeln und Reis, dass Fleisch, Eier und Hülsenfrüchte am zweckmässigsten wären.
Die ersten Überlegungen zu industrieller Kost waren dann auch Suppen, die durch Hydrolyse und Fermentation auf einfache Weise die Eiweissversorgung sicherstellten. Man klagte über die vorherrschende Ernährung durch Kartoffeln, die den Industriearbeiter nur ungenügend ernähre.
1880 entstehen die ersten Haushaltschulen, an denen gelehrt wird, was die Professoren vorschlugen. Als billige Quellen für die Mittelbemittelten wurden Leguminosen, Getreideprodukte, Kartoffeln, Magermilch oder Handkäse vorgeschlagen. Alles davon Abweichende wurde als „Laster“ benannt.
Die Gegenbewegung der Industrialisierung idealisierte „das gesunde Leben“. Die Alpenregion wurde als besonders gesund angesehen. Die Alpenmilch wurde entdeckt.
20. Jahrhundert
Um 1900 hatten noch 56% der Einnahmen eines durchschnittlichen Maurerhaushalts dem Erwerb von Nahrungsmitteln gedient, 1950 41 % und 1975 noch 26 %.
Der Hektarertrag von Weizen wurde von anfänglich 20 bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 30 Doppelzentner erhöht.
Um 1900 betrug die Milchleistung einer Kuh ungefähr 2000 Liter pro Jahr und wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts auf ungefähr 3000 Liter pro Jahr erhöht, in den 80er Jahren betrug sie bereits 4500 Liter pro Jahr.
Ernährungsempfehlung der 50er Jahre spricht bei einem Arbeiter von 70kg von 3000 Kcal pro Tag, aufgeteilt in 500g Kohlehydrate, 118g Proteine und 56g Fette.
Nachdem Konservendosen das vorige Jahrhundert nur für Wohlhabende erschwinglich waren, um Spargeln das ganze Jahr über zu speisen, wurden sie dieses Jahrhundert über die Kriegsernährung zum Allgemeingut.
1912 wurde das erste Vitamin (B1) entdeckt, nachdem bereits 1882 bekannt war, dass kleine Mengen lebenswichtiger Substanzen in der Nahrung enthalten sein müssen.
1932 wurde Vitamin C entdeckt, ein Verfahren zur synthetischen Herstellung lag bereits 1933 vor und wurde an Hoffmann-La Roche verkauft. Das künstliche Vitamin C unter dem Namen Redoxon war die erste Massenproduktion eines Vitamins. Noch heute steht in Basel ein Gebäude, das nur Vitamin C herstellt.
Ende des 1. Weltkrieges erlitt Deutschland als letztes europäisches Land eine Hungersnot. Die „rationale Ernährungsweise“ bot eine strikt quantitativ ausgerichtete Nährstoffversorgung. Es gab vor allem Eintöpfe mit billigen Eiweissträgern wie Schlachtabfällen, Presshefe und Blut in großen Mengen. Die Folgen waren desaströs, selbst auf dem Höhepunkt der Hungerkrise 1916/17 wurde diese Ernährung von der Bevölkerung verschmäht.
Bis zum 2. Weltkrieg wurde Leibesfülle mit guter Ernährung und hohem Status verbunden.
Alternative Ernährungskonzepte wurden gesucht. Maximilian Oskar Bircher- Benner (1867- 1939) erfindet die Rohkost, Werner Kollath (1892- 1970) die Vollwerternährung, der Japaner Georges Ohsawa (1893–1966) die Makrobiotik und Dr. Max Otto Bruker (1909-2001) die vitalstoffreiche Vollwerternährung und William Howard Hay (1866–1940) die Trennkost. Allen gemein ist der Versuch, die offene Lücke zwischen theoretischer Forschung und angewandter Diätetik zu schliessen.
Die Anthroposophie brachte ein gesamtheitliches Konzept zu Medizin, Ernährung, Lebensweise und verbindet dies auch mit biologisch- dynamischem Landbau.
Nach dem 2. Weltkrieg begann das Zeitalter der Massenproduktion, ausgehend von den USA. Mit Massenproduktion ist die industrielle Herstellung mit Hilfe von nicht erneuerbaren Rohstoffen gemeint. Plastik wird erschwinglich, in der Küche kommen gleich zwei Revolutionen, der Kühlschrank und der Mixer. Fast Food wird erfunden, der Mensch wird zum Konsumenten. Auf Monokulturen wird Kunstdünger im grossen Stil angewendet.
Das Ideal wurde eine kalorienreiche Ernährung mit viel Fleisch. Die Verbesserung der Ernährungssituation Europas und Amerikas ging einher mit der Verschlechterung der Situation in den Ländern, wo die meisten Nahrungsmittel angebaut wurden, also Südamerika, Afrika und viele asiatische Länder. Während der Hunger in Europa besiegt war, nahm er weltweit immer mehr zu. Heute hungert 1 Mrd. und weitere 2 Mrd.en sind mangelernährt während 1.5 Mrd. übergewichtig sind.
In den 70er Jahren kam das grosse Umdenken. Alternative Ernährungsformen wurden wiederentdeckt, auch der biologische Landbau ohne Monokulturen und ohne die Anwendung von Giften wurde wieder erforscht. Die Schweiz war darin ein Pionierland.
Die 80er Jahre standen unter dem Stern des Ozonlochs und des Waldsterbens. Das Ende des Wirtschaftswachstums (Club of Rome) war greifbar geworden. Das Benzin wurde bleifrei, Spraydosen und Kühlschränke durften keine FCKW mehr verwenden, Bioläden und grüne Parteien wurden gegründet. Die vegetarische Kost, vor allem Rohkost, wurde gesellschaftsfähig.
Nachdem die 70er Jahre das Kollektiv beschworen, beherrschte die 90er Jahre die Marktlogik und das Konsumdenken. Jeder schaut für sich. Es war die Zeit, in der Wellness entstand und die Geburtsstunde vieler spezieller Diäten wie die Blutgruppendiät, die Glyx- Diät oder einfach nur Methoden, um Gewicht zu verlieren. Schliesslich trägt man auch seinen Körper zu Markte.
21. Jahrhundert
Um 2000 dienen noch 11% der Einnahmen eines durchschnittlichen Maurerhaushalts dem Erwerb von Nahrungsmitteln.
Um 2000 liegt der Hektarertrag von Weizen bei 60 Doppelzentner.
Um 2000 beträgt die Milchleistung einer Kuh ungefähr 9000 Liter pro Jahr.
Die heutige Ernährungsempfehlung spricht bei einem Arbeiter von 70kg von 3000 Kcal pro Tag, aufgeteilt in 450g Kohlehydrate, 59g Proteine und 80g Fette. Unterschied zu den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ist viel weniger Eiweiss und viel mehr Fett.
Das 21. Jahrhundert steht unter einem befreiten Kapitalismus, die Schere zwischen Arm und Reich driftet schnell auseinander. Klimawandel wird zum Thema, gleichzeitig muss die Wirtschaft wachsen um die Zinsen zu bedienen worauf auch mmer mehr Erdöl gefördert und verbraucht wird. Kriegerische Auseinandersetzungen nehmen zu. Körperliche Betätigung geht zurück in dem Masse, als die Bedienung von Computer für immer mehr Personen zur Hauptbeschäftigung in Arbeit und Freizeit wird.
Die Kehrseite von Technik und Wachstumsglauben kommt immer stärker zum Vorschein. Luft, Boden, Meere sind zur Müllhalde verkommen und die Verschmutzung nimmt immer noch zu. Zivilisatorisch bedingte Krankheiten wie Allergien, Krebs, Diabetes, Gicht steigen an. Frische Lebensmittel werden kaum noch gekauft, vorbereitete und mit Zusatzstoffen versehende Nahrungsmittel bilden die Grundernährung der meisten.